Das Kleinkind steht zum ersten Mal. Toll.
Ein Erwachsener steht. Langweilig.
In der Krise steht alles auf dem Spiel, wir stehen auf verlorenem Posten, stehen mit dem Rücken zur Wand oder sogar vor dem Nichts. Jedenfalls wird es uns teuer zu stehen kommen, weil die Chancen schlecht stehen.
Abseits von Krisen stehen wir uns manchmal einfach selbst im Weg. Bis wir dann wieder auf eigenen Füßen, mit beiden Beinen im Leben und jemandem zur Seite stehen können.
Immer gilt: „Ich stehe an!“ bedeutet „Mach Deinen Auszeit.punkt“. Wer stehen bleibt, komm weiter.
Stehenbleiben ist nicht so einfach. Aber warum? Weil Stillstehen kein natürliches Verhalten ist.
Weil ruhig Stehenbleiben eine körperliche Meisterleistung ist. Schwerkraft und Trägheit. Unzählige Reflexe müssen simultan verarbeitet werden. Ausgleich, Gleichgewicht, Balance.
Tiere in freier Wildbahn stehen selten ruhig, bewegungslos. Fast immer nur in kritischen Situationen. Es folgt Flucht oder Angriff. Keine Zeit zum Überlegen. Alles muss bereit sein. Der kleinste Reiz von außen soll sofort in die passende Bewegung umgesetzt werden können.
Stehen ist anstrengender als Gehen. Feste Positionen brauchen mehr Spüren, Koordinieren und Balancieren. Die Muskulatur kann mit einer fixen Position nicht gut umgehen. Ruhig Stehen erfordert auch unseren Willen. Ermüdend.
Wer weiß, wie die körperlichen Strukturen beim Stehenbleiben genützt werden können, verbraucht weniger Energie. Und es bleibt noch Kraft fürs (Nach-)Denken. Genau dieses (Nach-)Denken-Können zeichnet uns Menschen aus. Über sich selbst nachdenken können. Reflektieren. Nachspüren. Schlüsse ziehen. Das braucht (Aus-)zeit.
Stehenbleiben ist sicher kein Modewort. Hat nur selten positive Bedeutung. Macht zuweilen sogar Angst. Stehen bleiben vor einer Gefahr… möglichst kurz stillstehen… und danach sofort reagieren. Reiz – Reaktion eben. Kennen wir. Macht biologisch Sinn. Für die Persönlichkeitsentwicklung eher nicht. Nützlicher wäre es doch so: Stehen bleiben… stillstehen… Optionen erkennen… und danach bewusst agieren. Also, was tun?
Egal, was uns im Leben stehenbleiben lässt. Oder noch besser: weswegen wir bewusst stehen bleiben. Es ist ein Auszeit.punkt. Probieren wir es so: Wir bleiben stehen und achten auf unseren Körper. Was kann er uns sagen? Wo zwickt es, wo drückt es, was fühlen wir? Stop, nicht bewegen! Bitte ruhig stehen bleiben, dran bleiben. Wir nehmen unsere (Körper-)Gefühle wahr, erforschen uns selbst. Fokus. Es gibt eine Message, irgendwas wird mitgeteilt. An dieser Stelle helfen erfahrene Begleiter:innen (Coach, Therapeut:in etc.) mit ihrer Erfahrung und ihren Fragen enorm weiter. Was brauchen wir gerade? Wir schalten das Denken hinzu, interpretieren, verknüpfen. Reflexion. Im Moment bleiben. Reflexe können im Geist durchgespielt werden. Dann ordnen wir sie in: „nützlich“ und „nicht nützlich“. Wir schaffen uns selbst neue (Handlungs-)Optionen, sehen neue Wege, Perspektiven. Wahlfreiheit! Wow! Fühlt sich unfassbar gut an. Entscheiden und ausprobieren.
Es gibt Menschen, die anderen Menschen dabei helfen, ihr persönliches Stehenbleiben besser zu nützen. Wer im Stehenbleiben Halt findet, spürt Sicherheit und… kommt weiter.